2021 ist das Jahr, in dem die Schweiz es mit der knappen Ablehnung des CO2-Gesetzes verpasst hat, den eigenen Klimazielen einen Schritt näher zu kommen. 2021 ist auch das Jahr, in dem sich der Klimawandel in der Schweiz in Form von Extremniederschlägen, Hagel und Überschwemmungen manifestierte. Handeln tut dringend Not. Doch wo setzen wir nun an? 

Klimaschutz heisst Energiepolitik

Rund drei Viertel der Schweizer Treibhausgasemissionen fallen im Energiesektor an. Wirksamer Klimaschutz heisst also fossile Energieträger durch erneuerbare zu ersetzen – beim Heizen, im Verkehr und in der Industrie. Dazu braucht es neben Anreizen für Energieeinsparungen mehr Strom aus neuen erneuerbaren Quellen. 

Die Schweiz als einstige Wasserkraftpionierin hinkt im Vergleich mit unseren europäischen Nachbarländern hinterher, wie der Ländervergleich der Schweizerischen Energie-Stiftung SES Jahr für Jahr belegt: Beim Ausbau von Wind- und Sonnenenergie liegt die Schweiz im europäischen Vergleich auf den hintersten Rängen. An den Möglichkeiten liegt es nicht: Die Sonne kann mehr Strom liefern als alle Schweizer Atom- und Wasserkraftwerke zusammen. Allein auf Dächern und Fassaden übersteigt das Potenzial gemäss Bundesamt für Energie den aktuellen Jahresstromverbrauch. Hinzu kommen Solarpotenziale auf Lärmschutzwänden, Staumauern und Stauseen sowie sonstiger Infrastruktur oder in Kombination mit der Landwirtschaft.

Die laufende Revision des Energiegesetzes ist der nächste grosse Hebel, um den Ausbau erneuerbarer Energien voran und die Schweiz auf Klimakurs zu bringen. Hier müssen wir ansetzen!

Die Bevölkerung drängt auf die Energiewende 

Trotz dem Nein zum CO2-Gesetz stösst die Energiewende in der Bevölkerung auf breite Akzeptanz. Gemäss einer repräsentativen Bevölkerungsumfrage von gfs-zürich, welche die SES im Frühjahr publiziert hat, wünschen sich 90 bis 96 (!) Prozent der Befragten eine einheimische, erneuerbare und umweltfreundliche Energieversorgung, und das lieber schon morgen als erst übermorgen. 

Dies ist nach der Zustimmung zur Energiestrategie 2050 vor vier Jahren eine klare Bestätigung des Auftrags an die Politik, auf Gesetzesebene den nötigen Rahmen zu schaffen. 

Vorwärtsmachen lohnt sich 

Der Sommer 2021 hat es gezeigt: Eine raschere Gangart bei der Energiewende ist dringend nötig. Und sie lohnt sich – nicht nur fürs Klima, sondern auch für die Volkswirtschaft. Die Energiewende bietet die Chance, Milliarden von Franken, welche jedes Jahr für den Import von fossilen und nuklearen Energieträgern ins Ausland fliessen, in die einheimische Volkswirtschaft zu lenken.

Eine ZHAW-Studie im Auftrag der SES kommt zum Schluss, dass es sich lohnt, das Tempo der Energiewende zu beschleunigen. Gewerbezweige in den Bereichen Gebäudesanierung und Heizungsersatz, aber auch Wind- und Photovoltaikanlagebauer:innen könnten viel Wertschöpfung und bis zu 87 000 neue Arbeitsplätze generieren. Zudem steigt damit die Unabhängigkeit von schwankenden Öl- und Gaspreisen, wie wir sie im vierten Quartal dieses Jahres erleben.

«Die Zukunft soll man nicht voraussehen wollen, sondern möglich machen», hat Antoine de Saint-Exupéry geschrieben. Worauf warten wir also noch? 

Nils Epprecht ist Umweltnaturwissenschafter ETH und seit 2018 Geschäftsleiter der Schweizerischen Energie-Stiftung SES. Die SES engagiert sich für eine intelligente, umwelt- und menschengerechte Energiepolitik.
www.energiestiftung.ch