Ein sommerlicher Mittag, 2040: Viel Solarstrom, Energiepreis nahe Null. Der Verbraucher zahlt jedoch eine feste Netzgebühr pro kWh. Eine winterliche Dunkelflaute mit hoher Netzbelastung: Hoher Energiepreis, gleiche Netzgebühr wie im Sommer.

Für die Energiekomponente im Strompreis passt sich der Preis also der Knappheit an. Für die Netzkomponente gilt das Solidaritätsprinzip: Gleiche Gebühr pro kWh für fast alle. Das sichert die Netzfinanzierung. Somit ist alles im Lot.

Ausser? Ausser, dass es die Energiewende unnötig ins Stocken bringt. Was ist mit Langzeitspeichern, um den üppigen Sommerstrom in den Winter zu retten? Sie gibt es nicht. Die Netzgebühren für den Ladestrom im Sommer verunmöglichen das Businessmodell. Ähnlich z.B. für die Stromendabnehmer: Fixe Gebühren; fehlender Anreiz, Schwankungen abzufedern.

Verursachergerechte Preise, stattdessen, wären Knappheitspreise. Nicht nur für die Energie selbst, sondern auch bei den steigenden restlichen Gebühren. Natürlich wäre es leichter, Netz und Erneuerbare weiterhin über Fixgebühren zu finanzieren. Jammerschade aber, sollten die Skeptiker – «Zappelstrom – das geht nie und nimmer» – letztlich mangels unserer Kreativität bei Preisanreizen recht behalten. Und recht zu behalten drohen sie, bei heutigen Rahmenbedingungen. Denn Flexibilität auf allen Seiten, inklusive Speicher, sind A und O der Energiewende. Sträflich verhindert sie das aktuelle System.

Deshalb ist ein neues Paradigma gefragt: Knappheits-Bepreisung und vernünftige Preisdiskriminierung als oberstes Credo, für Energie und Energietransport zusammen. Umverteilungsfragen sind – mit Verlaub – erst nachrangig durch gezielte Massnahmen anzugehen. Auch künftig wird Strom nicht Hauptausgabenpunkt für Haushalte sein. Und nichts ist gewonnen, wenn die Energiewende zwar «gerecht» konzipiert (z.B. mit fixen 20 Rappen für jede kWh oder so), aber gerade deshalb
gar nicht machbar ist.

Knappheits-Bepreisung: Nicht Bürokratie, nur die unsichtbare Hand kann es regeln

Big Data erlaubt in Echtzeit Engpässe zu analysieren, Knappheits-Bepreisung kann so problemlos umgesetzt werden. Die Konsumenten erwartet kein Chaos. Vorhersagen und gewohnte Muster helfen beim Organisieren; Apps und schlaue Geräte auch. Mittelfristig könnten Preise in Sommermonaten oft nahe null sein, dafür im tiefen Winter auch mal die Grössenordnung 1.–/kWh erreichen. Gerade solche Zustände führen zu einer Reorganisation, bei der Haushalte, Industrie, etc. gewisse Aktivitäten (saisonal) verschieben. Alle empirischen Studien dazu unterschätzen das Potenzial. Denn nur mittelfristig führt der Markt zu entsprechenden Anpassungen; zu einem nur in groben Zügen vorhersehbaren, robusten Gleichgewicht zwischen Reorganisation und ausgeprägten Preismustern.

Vernünftige Preisdiskriminierung: Bei Gebühren Ausweicheffekte minimieren

Extragebühren sind nötig, falls Knappheitspreise die Systemkosten nicht decken, und falls nicht z.B. der Staatshaushalt die Restfinanzierung übernimmt – wobei letzteres, wie bei Armee und Schulen, Vorteile hätte. Genauso wie bei jedem guten Steuersystem sollen dabei die Ausweicheffekte minimiert werden. Speichermodelle sollen also nicht abgewürgt, Überschussstrom nicht verschwendet werden. Ob dafür z.B. einzelne Businessmodelle oder generell Strom bei tiefen Knappheitspreisen von Extragebühren befreit werden, bleibt im Detail zu klären, aber immer unter Berücksichtigung des Primats der effizienten Preisdiskriminierung.

Die Hochschule Luzern untersucht das Thema im Projekt «Incentives for New Energy». Noch liegen keine abschliessenden quantitative Resultate vor. Was sich aber abzeichnet: Ohne radikale Preis-Reformation keine vernünftige Energiewende in der Schweiz oder in Europa.

Dr. Florian Habermacher ist
Dozent und Projektleiter am Kompetenzzentrum Regionalökonomie des Instituts für Betriebs- und Regionalökonomie der Hochschule Luzern.
www.hslu.ch