Die Generation meiner Grosseltern baute während des Zweiten Weltkriegs praktisch auf jeder freien Landfläche Kartoffeln und andere Nahrungsmittel an. Dadurch mussten in der Schweiz diese Grundnahrungsmittel nicht rationiert werden. Sollen wir diese «Anbauschlacht» wiederholen, um unser Energiesystem zu dekarbonisieren und uns vom Import unabhängiger zu machen? Die Antwort lautet ganz klar: nein. Ein solcher Anbau hätte weitreichende, negative Folgen für die Umwelt. Hingegen ist es sinnvoll, Abfall- und Restbiomasse, wie sie in der Land- und Forstwirtschaft, und bei der Verarbeitung und dem Konsum von Lebensmitteln anfällt, zu verwenden. Diese Abfallstoffe ersetzen vor ihrer endgültigen Umwandlung zu CO2 und Wärme fossile Treibstoffe. Entscheidend dabei: Das entstehende CO2 wurde vorher der Atmosphäre beim Wachstum der Pflanzen entnommen und bewirkt somit keine Erhöhung des CO2-Anteils in der Atmosphäre.

Der steinige Weg von der Forschung zur Umsetzung

Die Forschung zu Biotreibstoffen und anderen alternativen Treibstoffen ist in der Schweiz sehr gut aufgestellt und international vernetzt. So haben in den letzten zwanzig Jahren mehrere öffentlich geförderte Schweizer Konsortien und solche aus der EU mit Schweizer Beteiligung wichtige wissenschaftliche und technische Grundlagen erarbeitet, um Abfall- und Restbiomasse nachhaltig und effizient in saubere Biotreibstoffe umzuwandeln. Einige dieser neuen Verfahren haben einen hohen technischen Reifegrad erreicht.

Nun ist die Zeit der Umsetzung gekommen, damit die Biotreibstoffe einen messbaren Beitrag zur Energiestrategie 2050 und der Dekarbonisierung unseres Energiesystems liefern können. Doch hier hapert es. Leider haben es die grossen Schweizer Technologiefirmen bisher verpasst, substanziell in neue Verfahren im Bereich der alternativen Treibstoffe zu investieren. Den Lead haben vor allem Start-ups übernommen. Die grossen Akteure beschränken sich meist auf unmittelbar profitabel erscheinende Teilbereiche, wie beispielsweise das Zumischen von (importiertem) Biotreibstoff zu fossilem Benzin oder Diesel. Dabei bietet sich jetzt eine grosse Chance, sich von alten Prozessen und Technologien zu verabschieden und in neue, nachhaltige Verfahren zu investieren.

Wo macht eine Umstellung Sinn?

Das Potenzial alternativer Treibstoffe, insbesondere von Biotreibstoffen, ist begrenzt. Deshalb sollten diese in erster Linie in schwierig zu elektrifizierenden Bereichen eingesetzt werden. Dazu zählen die Luftfahrt, die Schifffahrt und der Gütertransport auf der Strasse. In einigen Bereichen ist die Wirtschaftlichkeit der Umstellung auf Biotreibstoffe bereits gegeben. Bis 2050 sollen sich die Kosten für den Endkunden grossflächig an diejenigen der fossilen Treibstoffe angeglichen haben. Aktuelle Beispiele in der Schweiz für die erfolgreiche Umstellung sind zahlreiche Logistikunternehmen, die ihre Lastwagenflotte auf Biogas, Biodiesel oder Wasserstoff umgestellt haben. Die Schweizer Armee führt in verschiedenen Bereichen Versuche mit alternativen Treibstoffen durch, aktuell auch bei der Luftwaffe. Und die Fluggesellschaft Swiss hat mit der Start-up-Firma Synhelion bereits eine Zusammenarbeit für die Markteinführung des weltweit ersten Solar-Kerosins unterschrieben, das aus CO2, Wasser und Solarwärme hergestellt wird.

Wo klemmt es noch?

Grundsätzlich stehen die Vorzeichen für alternative Treibstoffe gut, nicht zuletzt dank der seit längerem hohen Energiepreise. Vor kurzem wurde die bisher grösste Forschungs- und Demonstrationsinitiative reFuel.ch im Bereich alternativer Flugtreibstoffe lanciert – gefördert vom Bund und unter Beteiligung namhafter Schweizer Industriepartner. Was jetzt noch fehlt, sind Investitionen in grosse Demonstrationsanlagen.

Prof. Dr. Frédéric Vogel ist Dozent für Erneuerbare Energien im Bachelor in Energie- und Umwelttechnik und Stellvertretender Institutsleiter am Institut für Biomasse und Ressourceneffizienz bei der Fachhochschule Nordwestschweiz FHNW. Zudem leitet er eine Forschungsgruppe am Paul Scherrer Institut.