Bidirektionales Laden von Elektroautos bedeutet, dass der Ladeprozess in zwei Richtungen erfolgen kann. Der Nutzen beim bidirektionalen Laden ist, dass Elektroautos nicht nur Strom verbrauchen, sondern auch Strom ins Auto zurückspeisen können, wenn sie gerade nicht gefahren werden. Dazu sollte man wissen, dass ein Auto im Durchschnitt am Tag bis zu 23 Stunden herumsteht. Die sogenannten «Stehzeuge» werden also zu mobilen Powerbanks.

Die heute schon erhältlichen bidirektionalen japanischen Serien-Elektroautos (alle ohne Mehrkosten für das bidirektionale Laden und mit uneingeschränkter bidirektionaler Nutzung sowie voller Batterie-Garantie!) gibt es seit zehn Jahren. Weitere Autohersteller werden bald folgen: Die VW-Gruppe zum Beispiel hat angekündigt, dass die Bidirektionalität ab 2023 serienmässig eingeführt wird. Die bidirektionalen DC-Ladestationen samt Regel-APP sind hingegen eher neu und werden in der Schweiz seit einem Jahr durch das Start-Up sun2wheeel erfolgreich angeboten.

Das bidirektionale Laden kann in Kombination mit einer Photovoltaik-Anlage (PV) den Eigenverbrauch (also der Anteil der selber konsumierten Elektrizität gegenüber der selber produzierten Menge) stark optimieren, ohne dass man dafür extra einen Speicher kaufen muss. Der private Benutzer (oder Flottenmanager einer Firma) kann täglich selber bestimmen, wie viel Prozent der Batteriekapazität für das Fahren und wie viel für sein Gebäude genutzt werden darf. Das nennt man Vehicle-to-Home (V2H) oder Vehicle-to-Building (V2B).

Bidirektionalität kann netzdienlich sein

Das interessante ist, dass die Bidirektionalität über den eigenen Hauszähler hinausgehen kann: das nennt man Vehicle-to-Grid (V2G) und wird bereits in der Praxis getestet, denn diese bidirektionale Regelleistung kann netzdienlich eingesetzt werden. Dazu läuft übrigens das Pilotprojekt «V2X Suisse»: www.mobility.ch/de/v2x. In diesem Pilotprojekt werden 50 Elektroautos von Mobility zu Powerbanks: Wenn diese nicht gefahren werden, genügend geladen sind und über die sun2wheel-Plattform freigegeben werden, können sie Strom zurückgeben und entlasten so das Stromnetz. Das kann eine entscheidende Rolle spielen, um künftige Netzstabilität zu sichern, gerade weil der Anteil Elektroautos extrem steigt und somit extrem viel «Regelleistung auf Rädern» herumstehen wird. Im Pilotprojekt wird bis Ende 2023 ermittelt, ob und wie wertvoll diese Rückspeisung für swissgrid und lokale Netzbetreiber sein kann.

Für weitere Informationen zum bidirektionalen laden: www.sun2wheel.com und/oder www.swiss-emobility.ch/de/Laden/bidirektionales-Laden.php.

Marco Piffaretti ist seit 37 Jahren im Bereich Elektromobilität tätig und ist Gründer von mehreren Unternehmen die sich im Umfeld der Schweizer Elektromobilität einen Namen gemacht haben, unter anderen Protoscar, EVTEC, GOFAST und sun2wheel. Zur Zeit ist er als e-Mobility-Berater für Firmen wie Touring Club Schweiz und MOBILITY car sharing und als VRP von sun2wheel im Aufbau einer Schweizer V2X-Lösung tätig.