Fast zwei Drittel der in der Schweiz verbrauchten Energie stammt aus fossilen Quellen. Sie verursachen 80 Prozent der Treibhausgasemissionen unseres Landes. Mit der Unterzeichnung des Pariser Klimaprotokolls haben wir uns faktisch verpflichtet, bis spätestens 2050 deren Verbrauch auf null zu reduzieren – man spricht auch von Dekarbonisierung. Wie soll diese grosse Herausforderung gemeistert werden?

Elektrifizierung von Gebäuden und Verkehr

Das erste wichtige Handlungsfeld liegt im Gebäudebereich – immer noch werden 60 Prozent der Gebäude mit Heizöl oder Gas beheizt. In sehr vielen Fällen wird eine Wärmepumpe die Alternative sein, aber je nach Situation kommt auch ein Fernwärmeanschluss oder eine Holzheizung in Frage. Unter Berücksichtigung von Fortschritten bei der Wärmedämmung, aber auch dem Ersatz ineffizienter Elektroheizungen, wird die Dekarbonisierung der Gebäude zu einem zusätzlichen jährlichen Strombedarf von sechs bis acht Terawattstunden (TWh) führen.

Bei der Dekarbonisierung der Mobilität werden die Effizienz der Antriebe und die raschen Fortschritte bei Batterien der Elektromobilität zum Durchbruch verhelfen. Beim Schwerverkehr kommen zusätzlich Wasserstoff und Methan zur Anwendung, die aber auch unter Einsatz von Strom aus erneuerbaren Energien gewonnen werden müssen. Es resultiert ein jährlicher Strombedarf von rund 17 TWh.

Unter dem Strich brauchen wir also zusätzliche 23 TWh Strom. Hinzu kommen weitere 22 TWh, die bis anhin von Atomkraftwerken produziert werden. Wenn wir nicht stärker als bisher von Importen abhängig sein möchten, so müssen wir demnach zusätzliche 45 TWh Strom aus erneuerbaren Energien im eigenen Land produzieren. Die Widerstände gegen den Ausbau von Windenergie und Wasserkraft sind bekanntlich gross, sie werden deshalb nur einen kleinen, aber natürlich sehr erwünschten Beitrag leisten können. Der grösste Anteil muss von der Photovoltaik kommen – und das Potenzial dazu ist vorhanden.

Gebäude werden zu Kraftwerken

Allein auf den dafür geeigneten Dächern und Fassaden der Schweiz könnten jährlich 67 TWh Strom erzeugt werden – bei weitem genug, um den zusätzlichen Strombedarf zu erzeugen. Hinzu kommen solare Parkplatzüberdachungen, Solaranlagen auf Autobahnböschungen, Lärmschutzwänden, Staumauern oder im Umfeld von Skigebieten, die weitere rund 25 TWh liefern könnten. Auch wenn nur ein Teil dieses Potenzials effektiv genutzt wird: Solarstrom hat das Potenzial, zum wichtigsten Energieträger unseres Landes zu werden. Er ergänzt hervorragend die bestehende Wasserkraft, mit der sich sonnenarme Zeiten überbrücken lassen. Für eine ganzjährig sichere Energieversorgung braucht es ergänzend noch Batteriespeicher, den Ausbau von Speicherseen sowie die Umwandlung von sommerlichen Stromüberschüssen in Wasserstoff mittels Power-to-Gas.

Rahmenbedingungen für den Ausbau schaffen

Leider bestehen heute kaum Anreize, diese Potenziale zu nutzen. Solaranlagen werden mit der Einmalvergütung gefördert, die rund einen Viertel der Investitionskosten deckt. Rentabel sind solche Anlagen nur, wenn ein grosser Teil des Stroms an Ort und Stelle (Eigenverbrauch) genutzt wird. Dies ist vielerorts nicht möglich, weshalb etwa Grossanlagen auf Landwirtschaftsbauten und Lagerhäusern kaum gebaut werden. Auch das Projekt auf der Muttsee-Staumauer ist von diesem Problem betroffen. Hier braucht es dringend eine Anpassung der Fördermassnahmen.

David Stickelberger ist seit 1998 Geschäftsleiter von Swissolar, dem schweizerischen Fachverband für Sonnenenergie. Diese Organisation umfasst rund 750 Firmen aus der gesamten solaren Wertschöpfungskette mit rund 5500 Arbeitsplätzen. www.swissolar.ch

Illustrationsbild: © Schweizer Solarpreis 2020