Seit dem russischen Angriff auf die Ukraine spielen die Energiemärkte verrückt. Klumpenrisiken in der europäischen Gasbeschaffung gefährden die Versorgung und lassen die Preise explodieren. In der Schweiz rächen sich (schneller als erwartet) die langjährigen Versäumnisse beim Ausbau der inländischen Stromproduktion.

Für viele Firmen ist der Inputfaktor Energie im Handumdrehen von einer Nebensächlichkeit zur Existenzfrage geworden. In einer Umfrage von economiesuisse gaben zuletzt denn auch 81 Prozent der befragten Unternehmen an, unter den hohen Strompreisen zu leiden. 68 Prozent sorgen sich um die Verfügbarkeit von Strom im nächsten Winter.

Energiemangel: Versorgungs- und Konjunkturrisiko

Die ökonomische Gleichung der Krise ist einfach. Bei knappem Angebot steigen die Preise und hohe Preise wirken dämpfend auf die Nachfrage. Zur Krisenbewältigung gibt es nachfrage- und angebotsseitige Hebel:

Beim Angebot braucht es eine weitere Diversifikation Gasversorgung und einen schnelleren Zubau bei der Stromproduktion. Auf der Nachfrageseite schlagen die Preissignale durch: In unserer Umfrage gaben 58 Prozent der Unternehmen an, betriebliche Optimierungen für mehr Energieeffizienz und -flexibilität vorzunehmen. 33 Prozent tätigen Investitionen, sowohl in Effizienz als auch in eigene Stromproduktion. Das ist ermutigend und spricht für die Anpassungsfähigkeit der Schweizer Unternehmen. Doch es gibt auch die Kehrseite: Für einige Unternehmen steigen die Opportunitätskosten durch die hohen Strompreise ins unermessliche – es drohen Betriebsschliessungen und Arbeitsplatzverluste.

Firmen sollen selber entscheiden können

Bei der Energieeffizienz und bei der Vorsorge für den kommenden Winter hat die Wirtschaft erfolgreich eigene Support-Strukturen aufgebaut: Seit über zehn Jahren hilft die Energieagentur der Wirtschaft (EnAW) mehreren Tausend Unternehmen bei der Steigerung ihrer Energieeffizienz und bei der Reduktion der CO2-Emissionen. Für den Ernstfall einer drohenden Mangellage existiert zudem seit kurzem die Plattform www.mangellage.ch. Sie soll es Firmen im Ernstfall erlauben, Energiekontingente abzutauschen und zu handeln, damit sie ihre Produktion möglichst aufrechterhalten können.

Anstelle von Top-Down-Massnahmen muss die Politik solche subsidiäre Strukturen noch stärker unterstützen. Die Unternehmen kennen ihre eigene Situation am besten und sollen deshalb möglichst viel selber entscheiden können.

Lukas Federer hat an der Universität
Basel Geschichte und Wirtschaftswissenschaften studiert und verfügt über einen MAS in Applied Technology der ETH Zürich. Beim Wirtschaftsdachverband economiesuisse beschäftigt er sich seit fünf Jahren mit der Schweizer
Infrastruktur-, Energie- und Klimapolitik.
www.economiesuisse.ch

Bild oben: A Stockphoto/stock.adobe.com