Die Schweiz geht (langsam) in Richtung erneuerbare Energie.

Beim Heizen (rund 40 % des fossilen Verbrauchs) werden heute fast ausschliesslich Häuser nach mindestens dem Min-Energie-Standard gebaut und benötigen deshalb rund sechsmal weniger Energie als Häuser, die 1970 nach dem damaligen Standard gebaut wurden. Wird zusätzlich eine Wärmepumpe eingesetzt, so verringert sich der Energieverbrauch noch einmal um den Faktor 3 bis 6. Die Schwierigkeit besteht in der Renovationsrate der rund 73 % Altliegenschaften; hier sind wir mit etwas mehr als 1,1 % pro Jahr unterwegs, und mit dieser Geschwindigkeit wird es noch fast 70 Jahre bis zur kompletten Erneuerung dauern.

In der Automobilität (rund weitere 40 % des fossilen Verbrauchs) gewinnt die Elektromobilität massiv. Ich gehe davon aus, dass in zehn Jahren nur noch Elektroautos verkauft werden.

Beim Umbau des Energiesystems auf Erneuerbare spielt die Elektrizität deshalb die zentrale Rolle. Der Jahresverbrauch der Schweiz an elektrischer Energie beträgt seit etwa zwei Jahrzehnten fast konstant 60TWh/Jahr, trotz gestiegener Bevölkerung und gestiegenem BIP; es fand also eine Entkopplung von Energieverbrauch und BIP statt. Der Mehrverbrauch konnte weitgehend durch Stromeffizienz wettgemacht werden: So verbrauchen LED-Leuchten etwa zehnmal weniger Energie als die alten Glühbirnen. Alte Umlaufpumpen für die Heizung brauchen 100 Watt während fast 10 000 Stunden im Jahr, neue Wärmepumpen verbrauchen nur 30 Watt während 2500 Stunden. Auch hier kann der Energieverbrauch ohne Komforteinbusse um den Faktor 10 reduziert werde. Am Ende der Transformation von fossil auf erneuerbar werden wir 60 bis 70 TWh/Jahr brauchen.

Wir brauchen keine AKWs

Woher kommt diese elektrische Energie, da ja auch die AKWs mit einem Beitrag von über 20 TWh/Jahr wegfallen werden? Viele Menschen in der Schweiz sind immer noch der Ansicht, dass wir Atomkraftwerke brauchen, um die Versorgungslücke zu schliessen. Doch AKWs haben entschiedene Nachteile: in der Stromproduktion sind sie teurer als Wasser, Wind oder Sonne. Zudem hat ein Unfall fatale Folgen. Das Endlagerproblem ist nicht gelöst. Viele Menschen denken auch, dass die konstante Leistungsabgabe von AKWs von Vorteil ist. Doch die Dynamik der Verbrauchskurve ist hoch: Am wenigsten verbrauchen wir in einer Sommernacht (etwa 1 GW); der höchste Verbrauch ist im Winter abends um 18 Uhr (etwa 10 GW). Im Jahresverlauf ist die Verbrauchsdynamik etwa 1:10; im Tagesverlauf 1:3 bis 1:5.

Atomkraftwerke sind für diese Dynamik ungeeignet, Speicherseen und Pumpspeicherwerke aber auch Gaskraftwerke können hier ausgleichend wirken. In meinem Buch «Kraftwerk Schweiz» habe ich gezeigt, wie wir mit Sonne (16,4 TWh/Jahr), Wind (7 TWh/Jahr) und Biomasse (5,9 TWh/Jahr) den Jahresbedarf an elektrischer Energie decken können. Die bestehenden Speicher- und Pumpspeicher-Werke können dabei in Zusammenarbeit mit den Flusskraftwerken, Sonnen- und Windkraftwerken und mit den Biogasanlagen auch unter herausfordernden Witterungsverhältnissen die notwendige elektrische Energie jederzeit sicherstellen. Wir sind neben Schweden, Norwegen und Österreich eines der vier Länder weltweit, die das können.

Nun hat die Windenergie in der Schweiz einen schweren Stand: Wir haben erst etwa 75 MW installiert, benötigt würden wir 3000 MW. Österreich mit vergleichbarer Topografie zur Schweiz hat das bereits geschafft. Natürlich hilft da die Donauebene mit. Weshalb tun wir uns in der Schweiz mit der Windenergie so schwer? Der Grund liegt vermutlich bei den radikalen Windgegnern und den Atomenergie-Befürwortern, die mit ihrem Verhalten doch noch auf zukünftige AKWs hoffen. Was können wir tun, um die fehlende Windenergie zu kompensieren?

Als erstes werden wir die PV-Leistung von 18 GW auf 40 GW erhöhen. Damit können durch PV etwa 40 TWh im Jahr produziert werden. Leider fallen rund zwei Drittel der PV-Energie im Sommer an, doch sie werden im Winter benötigt. Eine Lösung könnte sein, dass wir die Überschussenergie im Sommer in Gas verwandeln, dieses speichern wir, und im Winter wird das Gas in einem Gaskraftwerk wieder in Strom zurückgewandelt. Das überschüssige Gas kann dabei in Baumaschinen oder sogar Flugzeugen zum Einsatz kommen.

Und was kostet das Ganze? 

Weniger als wir für die Endlagerung von radioaktivem Material noch ausgeben werden. Erneuerbare Energie ist also nicht nur gut für die Umwelt, sie schafft Arbeitsplätze in der Schweiz und tut zudem unserem Portemonnaie gut – und sie macht uns unabhängiger vom Ausland.

Anton Gunzinger war Professor für Computer Architektur an der ETH Zürich und hat das Buch «Kraftwerk Schweiz» geschrieben, das Standartwerk für erneuerbare Energie in der Schweiz. Er ist Gründer und VR-Präsident der Supercomputing Systems AG (SCS).
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