Bild: Der «Grosspeter Tower» setzt auf Nachhaltigkeit. So bestehen die intransparenten Fassadenteile aus einer vollintegrierten Photovoltaik-Anlage. Diese Solarzellen produzieren 260 000 Kilowattstunden Energie pro Jahr und können somit den Grundbedarf an Strom für das gesamte Gebäude abdecken. Ein Erdsondenfeld mit 52 einzelnen Sonden sorgt für die Wärmeversorgung des Towers.

Der im Jahr 2018 fertiggestellte Neubau «Grosspeter Tower» in Basel hat für sein nachhaltiges Design verschiedene Preise erhalten. Die Arbeit ist jedoch mit dem Erstellen eines nachhaltigen Gebäudes nicht getan. Mithilfe eines digitalen Zwillings wurde in den letzten eineinhalb Jahren eine modellbasierte Performance-Gap-Analyse durchgeführt, um basierend darauf gezielte Optimierungsmassnahmen umzusetzen. Welches sind die Herausforderungen und Erkenntnisse aus der Praxis? Fragen und Antworten mit Marcel Scheuber, Leiter des Kompetenzzentrums Energie- & Gebäudetechnik.

«Digitaler Zwilling» und «BIM» sind Schlagwörter, um die man in der Immobilienszene fast nicht mehr rumkommt. Wie haben sich diese Errungenschaften am Neubau «Grosspeter Tower» in der Praxis bewährt und wie wurden diese zur Performance-Gap-Analyse eingesetzt? Es ist eine Tatsache, dass viele Neubauten die angestrebten Vorgaben bezüglich Energieverbrauch und Behaglichkeit nicht erreichen. Es gibt also in der Regel einen sogenannten «Performance Gap» zwischen IST und SOLL. Die Ursachen können technischer Art sein oder bei vereinfachten standardisierten Berechnungsgrundlagen liegen, aber auch von der Simulation abweichendes Wetter bzw. Klima haben einen Einfluss und natürlich das Nutzerverhalten.  Gerade bei einem Vorzeigebau in Sachen Nachhaltigkeit wie dem Grosspeter Tower ist es wichtig, diesen Gap frühzeitig zu erkennen und anzugehen. Bereits in der Bauprojektphase hat der Fachingenieur ein Gebäudemodell zur Ermittlung der künftigen Energieverbräuche entwickelt. Gemeinsam mit unseren Partnern haben wir dann einen «digital twin – as built» erstellt.  Zu Beginn arbeitet man für die Simulation des Energiebedarfs mit Normwetterdatensätzen, nach Inbetriebnahme des Gebäudes werden Echtzeit-Wetterdaten verwendet. So können wir den Performance Gap auf hohem Level analysieren und dank der Visualisierung erfolgt dies auf sehr intuitive und flexible Weise.  

Rote Flächen sind zu warm, blaue Flächen sind zu kalt: Dank Visualisierung erfolgt die Gap-Analyse auf sehr intuitive Weise. Siemens Schweiz wurde im Oktober 2021 für «Grosspeter Tower: Performance GAP Analysis with Simulation» mit dem buildingSMART International Award 2021 in der Sparte Facility Management ausgezeichnet.

Was hat denn diese Analyse ergeben?

Die Analyse zeigt schonungslos auf, was nicht gut ist. So haben wir zum Beispiel erkannt, dass der geforderte Wirkungsgrad der Wärmerückgewinnung bei den Lüftungsanlagen nicht erreicht wurde. Der effektive Verbrauch für Heizung und Kühlung lag deshalb etwa 4.5 Mal höher als im Modell berechnet. Die Wärmerückgewinnung wurde inzwischen ersetzt.  Wichtig ist, dass man als Eigentümer bereit ist, die Wahrheit zu ertragen – was nicht immer angenehm ist. Wenn Fehler entdeckt werden, muss man als Team zusammen diese Gaps angehen, die wir dank Digitalisierung besser erkennen. Der frühzeitige aktive Einbezug der Betriebsorganisation ist dazu eine zwingende Voraussetzung. Der Vorteil bei uns ist, dass Bau, Bewirtschaftung und teilweise auch die Hauswartung in die Organisation integriert sind. 

Welches waren die grössten Herausforderungen in diesem Prozess? In der Anfangsphase ist für den Aufbau der Datenerhebung und Trendaufzeichnung ganz klar ein erhöhter Engineering-Aufwand notwendig. Auch gilt es, aus den gewonnenen Daten die richtigen Schlüsse zu ziehen. Weiter darf man nicht vergessen, dass der erste Anspruch der Betriebsoptimierung unmittelbar nach Übergabe des Gebäudes die Befriedigung der Komfortanforderungen der Nutzerinnen und Nutzer ist. Die eigentliche energetische Optimierung folgt im Nachgang. Daraus entstehen gewisse Zielkonflikte, die uns immer wieder vor Herausforderungen stellen. Durch Empfehlungen über ideale Möblierung und frühzeitige Sensibilisierung der Nutzerinnen und Nutzer können diese etwas entschärft werden. Man darf sich beim Performance Gap jedoch nicht hinter den Nutzern verstecken. Haupt-Verursacher des Performance Gap – zumindest in einem Gebäude wie dem Grosspeter – ist die Komplexität. Die Technik an sich ist nicht «Rocket Science». Die Herausforderung  ist die Art, wie Systeme miteinander verbunden und voneinander abhängig sind.

Ist ein digitales Modell eine zwingende Voraussetzung für die Performance-Gap-Analyse? Bei einem Neubau sind eine solide energetische Betriebsoptimierung und Performance-Gap-Analyse aus unserer Sicht bereits heute nur noch mit einem entsprechenden Gebäudemodell möglich. Nur so lässt sich der effektive Energiebedarf über den gesamten Jahreszyklus realitätsnah simulieren und bereits in der Projektphase bestimmen. Basierend darauf werden auch sämtliche Systeme ausgelegt und dimensioniert. Es ist aber nicht zwangsläufig nötig, ein Modell auf diesem Niveau kontinuierlich nachzuführen. Ein gutes Gebäudeleitsystem mit einer energieflussorientierten Messtopologie und entsprechender Trendaufzeichnung liefert schon das wichtigste Werkzeug für die Betriebsoptimierung. 

Also ist ein digitaler Zwilling noch nicht integraler Bestandteil der Betriebsphase? In unseren Liegenschaften herrscht selten über längere Zeit «Norm-Betrieb». Gerade in grösseren Gebäuden ändert sich ständig irgendwo eine Nutzung oder es findet ein Mieterausbau statt. Es muss also wieder angepasst und optimiert werden. Folglich müsste auch das Modell des digitalen Zwillings laufend nachgeführt werden. Das kann in der derzeitigen Praxis mit den unterschiedlich agierenden Projektteams noch nicht nutzbringend umgesetzt werden. Zum Erfüllen der Komfortansprüche unserer Mieter, aber auch zum Erreichen unserer Nachhaltigkeitsziele sind wir auf Daten und dazu passende Werkzeuge angewiesen. Dazu brauchen wir nicht in jedem Fall ein «fancy» Modell. Wichtiger scheint mir, dass man bewusst Daten und Informationen einfordert oder erhebt und mit diesen auch etwas anfängt. Es ist Know-how nötig, um diese Daten auch nutzen zu können. Das beste Modell und der umfangreichste Datensatz nützen nichts, wenn man daraus die Abweichungen nicht identifizieren und keine Massnahmen ableiten kann.

PSP Swiss Property AG 

PSP Swiss Property gehört zu den führenden Immobiliengesellschaften der Schweiz. Das Unternehmen besitzt ein Immobilienportfolio im Wert von ca. 9.0 Milliarden Schweizer Franken. Dabei handelt es sich grösstenteils um Büro- und Geschäftshäuser an erstklassigen Lagen in den wichtigsten Wirtschaftszentren der Schweiz. Die rund 120 Mitarbeitenden verteilen sich auf die Standorte Basel, Genf, Zug und Zürich. 

Marcel Scheuber, Leiter Kompetenzzentrum
Energie & Gebäudetechnik

 

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