Die Energiezukunft ist erneuerbar. Kaum jemand hat etwas gegen dieses Ziel. Und da Strom erneuerbar sei und kein CO2 verursache, sei der erneuerbare Wandel mit einer Elektrifizierung von Mobilität und Wärme doch relativ einfach machbar – denken viele. Dass dies nicht ganz so einfach ist, haben Empa-Forscher in verschiedenen wissenschaftlichen Arbeiten aufgezeigt, die unter anderem die folgenden zentralen Fragestellungen der Schweizer Energiewende untersuchten: Wie sieht der zukünftige Stromverbrauch mit mehr Elektromobilität und Wärmepumpen aus? Wie wirken sich Einsparpotenziale bei Gebäuden (zum Beispiel Sanierung) aus? Welchen Effekt haben Solarenergie sowie andere erneuerbaren Energien? Wie sicher ist die Schweizer Stromversorgung beziehungsweise wann fehlt wie viel Strom, und woher, in welcher Qualität, und mit welchen indirekten CO2-Emissionen kommt er sonst?

Menge und Zeitpunkt sind entscheidend

Erwartungsgemäss hängen die Resultate von den konkreten Annahmen ab. Angenommen der Wandel findet ohne radikale und sofortige Anpassungen statt, bleibt ein strukturelles «Stromdefizit» im Winter von je nach Szenario zwischen 15 und 20 TWh, das durch Importe oder zusätzliche inländische Produktion zum Beispiel mit Gaskombi-Kraftwerken kompensiert werden muss. 

Der Klima-Erfolg hängt also im Wesentlichen davon ab, wie erneuerbar dieser zusätzlich benötigte Strom ist. Dabei ist nicht nur die Energiemenge entscheidend, sondern auch der jeweilige Zeitpunkt, in dem die Energiemenge verbraucht wird, denn erneuerbare Energien stehen oft nicht dann zur Verfügung, wann sie gebraucht werden. Umso wichtiger werden die lokal verfügbaren erneuerbaren Energien, allen voran die heimische Wasserkraft, aber auch Biomasse, Solarenergie und – besonders im Winter – die Windenergie. 

Solarenergie in einer Schlüsselrolle

Solarenergie ist genügend vorhanden, akzeptiert und integrierbar. Die offene Frage ist, wie man deren Überschuss vom Sommer im Winter verlagern kann. Dass Solarenergie «abgeregelt», das heisst nicht genutzt wird, ist in vieler Hinsicht nicht sinnvoll: Die «graue» Energie der Herstellung der Anlagen wird auf weniger Nutzenergie verteilt. Dadurch ist einerseits die Wirtschaftlichkeit geringer und andererseits die Winterstromlücke nicht gelöst.

Neben kurzfristiger Speicherung in Batterien kann man Solarenergie auch längerfristig speichern, und zwar in Form von Wärme im Boden, mechanisch zum Beispiel in Speicherseen, oder chemisch zum Beispiel als Wasserstoff.

Synthetische Energieträger aus Solarenergie wie Wasserstoff lassen dann sogar den erneuerbaren Betrieb von Lastwagen oder Schiffen und Flugzeugen zu. Zudem ermöglicht  deren Einsatz die direkte Nutzung von bestehender Infrastruktur (zum Beispiel das Erdgasnetz) und somit den Einsatz in sonst nur schwer zu dekarbonisierenden Energiesektoren wie der chemischen Industrie. 

Weiter wie bisher ist keine Option

In Zukunft sollte eine sichere und nachhaltige Energieversorgung nicht nur mit der nationalen Brille, sondern auch aus einer globalen Optik betrachtet werden. Erneuerbare chemische Energie lässt sich beispielsweise einfach und global transportieren, was zum Beispiel die Nutzbarmachung von Wüstengebieten zur Energiegewinnung aus Solarenergie zulässt.

Jeder Energieträger hat also seine spezifischen Vor- und Nachteile in Gewinnung, Speicherung, Transport und Umwandlung. Zudem sind die Technologien bereits oft vorhanden oder die Forschung und Entwicklung schon weit fortgeschritten. Sobald auch die gesellschaftlichen, politischen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen stimmen, kann deren Verbreitung richtig Fahrt aufnehmen. Gut möglich, dass dies schon bald geschehen wird, denn «weiter-wie-bisher» wird wohl die schlechteste (und teuerste) aller Optionen sein. 

 

Urs Elber übt seit 2020 als Berater Mandate in Wissenschaft, Wirtschaft und Industrie aus. Früher führte er verschiedene Unternehmen für erneuerbare Energien. Ab 2011 leitete er am PSI das CCEM (Competence Center Energy & Mobility) des ETH-Bereichs sowie ab 2014 den Forschungsschwerpunkt «Energie» an der Empa.

 

Dr. Martin Rüdisüli forscht seit 2017 im Bereich «Energy Systems Impacts Research» des «Urban Energy Systems» Labor der Empa. Er studierte Umweltingenieurwissenschaften an der ETH Zürich und promovierte anschliessend am PSI. Sein Forschungsinteresse gilt der gesamtheitlichen Betrachtung von Energiesystemen bezüglich Produktion, Verbrauch und Speicherung von Strom, Wärme und Brenn-/Treibstoffen. www.empa.ch