Die Energiewende ist eine beschlossene Sache und die Klimakrise erfordert dringende Massnahmen. Aber für viele Akteure sind die Zusammenhänge und Handlungsoptionen nicht klar. Strom ist unser wichtigster Energieträger im Kampf gegen die Klimakrise und die Nutzung von nachhaltig produziertem, erneuerbarem Strom anstatt fossilen Energien ist ein zentrales Element der Wende. Eine grosse Herausforderung in der Schweiz ist der Ersatz der rund 20 Terawattstunden Kernstrom bis 2035 – geplant mehrheitlich mit Solarstrom.

Während sich Grosskunden am Markt frei mit Strom eindecken können, sind Privatkunden an ihren Anbieter gebunden und verbleiben meist im Standardprodukt. Das Thema Strom geniesst üblicherweise keine grosse Aufmerksamkeit, solange er störungsfrei aus der Steckdose kommt. So konnten viele Schweizer Stromversorger die lokalen Standardprodukte auf erneuerbaren Strom aus Wasserkraft umstellen, obwohl dieser etwas teurer ist. Für die Verbraucher besteht dadurch noch weniger Anreiz, sich um grüne Ökostromprodukte mit hohem Solaranteil zu bemühen.

Schweizer Strom nur scheinbar gut

Auf den ersten Blick sieht also die Schweizer Stromversorgung mit ihrem hohen erneuerbaren Wasseranteil von 60 Prozent und den vielen «blauen» Standard-Stromprodukten gut aus. Leider wird die Tatsache schnell übersehen, dass der Ausbau der Solarenergie derzeit viel zu langsam erfolgt, um 2035 die Kernkraftwerke wirklich herunterfahren zu können. Dafür müssen wir nämlich insgesamt zusätzlich 20 Terawattstunden Solarstrom erzeugen.

Die Forschung zeigt: Das Solar-Potenzial wäre da, wir haben genug Dachflächen und Fassaden. Trotz hoher Kaufkraft hinkt die Schweiz allen Nachbarländern im Solarausbau hinterher, weil die staatliche Förderung tief ist. Da weder die Grosskunden – zu teuer – noch die Privatkunden – kein Interesse – den Solarstrom nachfragen, kann dieser nicht zum Erzeugungspreis verkauft werden und es gibt derzeit trotz geringer Produktion zu viel unverkauften Solarstrom im Schweizer Netz, was die Preise drückt und den Ausbau weiter verlangsamt. Obwohl bei den Stromversorgern der Wille zu Energiewende vorhanden ist, sehen sie oft keine Möglichkeit den Solarausbau zu finanzieren.

Projekt Stromlandschaft Schweiz

Hier setzt das Projekt Stromlandschaft Schweiz von der Klima-Allianz und myNewEnergy an. Die Karte auf stromlandschaft.mynewenergy.ch zeigt in einer gesamtschweizerischen Bestandesaufnahme, aus welchen Quellen die Standard-Stromprodukte in unserem Land zusammengesetzt sind. Sie wurde im Sommer 2020 komplett mit den Daten von rund 400 Stromunternehmen überarbeitet.

Mit dem Projekt sollen einerseits die Energieversorger auf ihre Handlungsoptionen bei der Gestaltung der Standardprodukte aufmerksam gemacht werden. Andererseits wollen wir erreichen, dass auch die Privatkunden realisieren, dass ihr Konsum die Stromherstellung beeinflussen kann. Sie können zusätzlich Solarstrom beziehen oder vom lokalen Versorger die Verbesserung des Standardstroms fordern und damit die Energiewende vorantreiben.

Durch die Sensibilisierung der Stromkunden und Energieversorger soll der Solarstrom-Anteil in den Schweizer Standardprodukten nach und nach gesteigert werden, bis diese im Jahr 2035 dem angestrebten Produktionsmix von rund 40 Prozent Solar- und 60 Prozent Wasserstrom entsprechen. Mit solch einer kontinuierlichen Veränderung können die Kosten für die Verbraucher gering gehalten werden, denn am Anfang fallen die kleinen Anteile preislich kaum ins Gewicht und später sind die höheren Anteile möglich, da die Solarstrom-Herstellung immer günstiger wird.

Ausgehend von den Erfahrungen, die verschiedene Werke bereits heute mit der Veränderung der Standardprodukte haben, ist bei einer gut geplanten Kommunikation eine hohe Akzeptanz unter den Kunden zu erwarten. Zusätzlich können lokale Solarprojekte realisiert werden, die bei der Bevölkerung sehr beliebt sind.

Dr. Christina Marchand hat 2013 den Stromvergleichsdienst myNew-Energy gegründet. Seit 2017 forscht und lehrt sie an der ZHAW im Bereich Innovation und Entrepreneurship mit dem Schwerpunkt Energie. Ausserdem ist sie bei fossil-free.ch und films for future als Vereinspräsidentin engagiert. www.mynewenergy.ch

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