«Denkst du, der Greta-Effekt ist eine nachhaltige Veränderung in der Gesellschaft oder nur wieder ein Hype?», wurde ich in den vergangenen Monaten immer wieder gefragt. Wahrlich keine einfache Frage. Bevor ich aber darauf antworte, drehe ich das Rad der Zeit zehn Jahre zurück: Damals bin ich aus der Industrie in die Hochschulwelt eingetaucht.

Kernereignis Fukushima

Der Erfolg des neu lancierten Studiengangs «Erneuerbare Energien und Umwelttechnik» der Hochschule Rapperswil war im ersten Jahr 2010 ungewiss. Der Bedarf an kompetenten Arbeitskräften schien zwar gegeben, aber das breite Interesse an erneuerbarer Energie und an Nachhaltigkeitsthemen war begrenzt.

Der 11. März 2011 änderte diese Situation markant: Die Katastrophe in Fukushima brachte die Energiewende in die breite, öffentliche Diskussion. Der anschliessende Grundsatzentscheid von Bundesrat und Parlament im Jahr 2011 für einen schrittweisen Ausstieg aus der Kernenergie legte die Basis für die Energiestrategie 2050. Die Diskussion über Energieeffizienz und Erneuerbare Energie wurde salonfähig; Die Aus- und Weiterbildungen im Energiebereich füllten sich mit Studierenden. Fukushima wurde somit zum Kernereignis für politische Entscheide und für eine nachhaltige, gesellschaftliche Veränderung der Energielandschaft Schweiz.

Gefragte Kompetenzen

Eine unterdessen gut bekannte, junge schwedische Klimaaktivistin bringt nun wiederum Wind auf die Turbinen der Windräder. Ein Wind, der nicht nur in der Schweiz weht, sondern weltweit für Bewegung sorgt und Entwicklungen wie jene der United Nation Sustainable Development Goals, der Circular Economy oder der Elektromobilität Auftrieb verleiht.

Auch politisch hat dieser Wind zu einigen Turbulenzen geführt: Grüne Themen sind «in», das CO2-Gesetz wird voraussichtlich ehrgeiziger, und neue Initiativen warten. Es kann somit gut sein, dass der Greta-Effekt hilft, wichtige Ziele für den Weg in eine nachhaltige Zukunft in Gesetzen zu verankern. Dies gibt jungen Fachkräften, die sich zu diesen Themen ausbilden und Personen, die sich weiterbilden, eine berufliche Perspektive und Planungssicherheit. Diese Kompetenzen werden auch in einigen Jahren noch relevant und gefragt sein.

Der «Greta-Effekt» ist somit aus meiner Sicht kein «Hype». Er wird uns dabei unterstützen, Nachhaltigkeitsthemen einen Platz in der gesellschaftlichen Diskussion zu sichern und neue Stellen zu schaffen. Den Hype der «Flugscham» jedoch werden wir bald wieder abgelegt haben.

Autor: Prof. Christian Wirz-Töndury ist Co-Leiter Weiterbildung, Institutsleiter und Dozent an der HSR Hochschule für Technik Rapperswil. 2011 hat er in Zug das Institut für Wissen, Energie und Rohstoffe Zug (WERZ) gegründet, das seine Angebote und Aktivitäten auf die Steigerung der Energie- und Ressourceneffizienz in Unternehmen fokussiert. www.werz.hsr.ch